Von 2013 bis 2020 bildeten Philipp Günther und ich das Kunschtkollektiv. In 15 Arbeiten unter Pseudonym nahmen wir als nicht autorisierte Künstler an Ausstellungen teil, immer an Hochschulen, an denen wir studiert hatten. Wir bezeichneten uns gerne als Guerilla-Künstler.
Der Ablauf war (fast) immer gleich: Wir setzten uns einen zeitlichen Rahmen – 24 Stunden – für konzeption und Exekution unseres Ausstellungsbeitrags. Dann nahm mindestens einer von uns für die Dauer der Ausstellung aktiv teil, war als Ansprechpartner fürs Publikum vor Ort. Oft waren wir auch beide anwesend. In Ausnahmefällen, speziell bei Ortsabwesenheit eines Kollektivmitglieds, durften Materialien auch vorab geammelt und per Post zum Ausstellungsort geschickt werden.
Als Spaß und Experiment gestartet, entwickelte sich das Projekt schnell zu einem ernsthaften Unterfangen, zumindest in der Bestimmtheit, mit der wir es weiterführten. Die Leichtigkeit im Konzept ließ aber immer wieder frische Arbeiten entstehen, die den Moment zelebrierten. Die Interaktion mit dem Publikum wurde zum wesentlichen Teil der Arbeiten. Im Dialog entdeckten wir als Künstler oft erst die ganze Tiefe der Werke, die wir auf die Schnelle angefertigt hatten.
Oft spielten die Arbeiten mit provokativen Elementen, etwa in der Installation „Ma’ Krawatte machen“, die das Corprate Design Deutschlands aufs Korn nahm, oder in „Eine Arbeit über Mitgefühl“, die aus 200 an die Wand genagelten Blutwurstscheiben bestand. Rein interaktiv waren die Arbeiten „Flugzeug“ – eine das ganze Wochenende andauernde asiatische Teezeremonie mit Gästen – und „The Profile of Tomas W. Katz“ – eine analoge, bespielbare Rauminstallation, die das Internet nachbildete. Die letzten beiden Arbeiten „She looks like a Daisy to me“ und „Dare (Blue Velvet)“ erreichten eine besondere künstlerische Reife, ohne das Spielerische je zu verlieren. Daisy war ein rohes Hühnchen, das einganzes Wochenende über in einen rosa Badeanzug gekleidet und auf einem Staubsaugroboter liegend seine Runden in einem großen Raum drehte, beobachtet von Erdmännchen und einem Maulwurf mit leuchtenden Augen, die auf Podesten im Raum standen. Das Publikum war eingeladen, zur ruhe zu kommen und einfach nur die Bewegungen von Daisy im Raum zu beobachten. Die letzte Arbeit „Dare (Blue Velvet)“ entstand erst während der Ausstellung vor Ort. Das Publikum war aufgefordert, sich mit einem Set von Werkzeugen auseinander zu setzen und sich beim kreativen Umgang mit diesen Werkzeugen fotografieren zu lassen. Die Fotos wurden sofort bearbeitet, gedruckt, gerahmt und im Ausstellungsraum präsentiert, während parallel weitere Interaktionen abliefen und imemr neue Bilder entstanden.
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie erlebten wir einen Zwangsstopp, da plötzlich keine Ausstellungen mehr möglich waren. Seitdem ruhen unsere Aktivitäten als Kunschtkollektiv. Alle entstandenen Arbeiten sind auf der Webseite ▸kunschtkollektiv.com dokumentiert. Aber wer weiß, vielleicht kehren wir eines Tages zurück...